Kommunikation – Allheilmittel und Verdammnis, Allzweckwaffe und Schimäre

01. September 2015
Gastautor FH-Prof. Mag. Dr. Heinz M. Fischer über die facettenreiche Welt der Kommunikation: von der „guatn Nachred“ zum kommunikativen Effizienzzwang.

Es ist mittlerweile schon etliche Jahre her, da wirkte im traditionsreichen Ambiente des Landhauses in Graz ein sehr bodenständiger Politiker. Er verantwortete das Agrarressort, und gar nicht wenige – darunter auch Journalistinnen und Journalisten – waren mit ihm bestens bekannt, also per Du. Medientermine pflegte er, war er so richtig in Fahrt, mit folgender Schlussformel zu beenden: Er bitte …

… die Damen und Herren von der Presse um a guate Nachred!

Er sagte dies ohne jeglichen spekulativen Gestus, es kam – völlig unprätentiös – aus tiefstem Herzen. Heute würde man sagen, dieser Politiker sei authentisch gewesen. Authentisch, also ganz er selbst. Gar nicht so selten wurde seine Bitte erhört. Im Regelfall hatte dieser Landespolitiker eine gute Presse.

Unter Kolleginnen und Kollegen, die schon länger oder womöglich lange im Geschäft sind, ist dies eine Schnurre, die gern erzählt wird. Sie ruft Schmunzeln hervor. Ist sie doch Synonym für das vergilbte Gestern, für die Vergangenheit von Medien und Politik. Erzählt man diese kleine, vergleichsweise marginale Begebenheit jüngeren Journalistinnen und Journalisten, läuft man Gefahr, eher ungläubiges Kopfschütteln zu ernten. Nachrede?  Und noch dazu eine positiv gestimmte?

The Times, they are a-changin‘, sang Bob Dylan schon vor Jahrzehnten, und, weiß Gott, der Mann hatte Recht.

Politische Kommunikation heute ist kalt, eiskalt geworden.

Vermittlung von Botschaften in die Öffentlichkeit – und hier begehe ich wissentlich den ersten Fehler, es müsste nämlich Öffentlichkeiten heißen – ist Management geworden. Kalkuliertes, effizientes und effektives Management. Versagt dieses Management, hat es sich ausgespielt. Game Over.

Die Prämisse heute: Kommunikation muss gelingen.
Nicht kann oder soll, sie muss gelingen. Funktioniert etwas nicht, sagen wir beispielsweise die Markteinführung eines Produktes, das Lancieren einer Idee, das Positionieren einer politischen Botschaft, dann war nicht das Produkt daran schuld, weil es zu wenig durchdacht gewesen ist, oder die Idee, weil sie zu schwach war oder der Politiker/die Politikerin, der/die womöglich zu wenig überzeugend agiert hat – nein, es hat die Kommunikation versagt. Dabei hätte es uns der große Soziologe Niklas Luhman so leicht gemacht. Nicht zuletzt kraft ihrer Komplexität ist Kommunikation, und erst recht gelingende Kommunikation, für ihn schlicht und einfach unwahrscheinlich.

Kommunikation – Allheilmittel und Verdammnis, Allzweckwaffe und Schimäre.
Mit Kommunikation werden Millionen- und Milliardenumsätze gemacht. Gibt es doch nicht wenige – und täglich werden es mehr – die behaupten, dieses Geschäft zu beherrschen. Aber lässt sich Kommunikation, dieses allseits beschworene Wesen, denn bezwingen. Stellen Sie sich vor, wir könnten uns – was immer auch passieren mag – nicht auf Kommunikation ausreden. Wie würde unser Alltag aussehen?

Medien, und in weiterer Folge Öffentlichkeiten, aber verzeihen keine kommunikativen Fehler.

Immer deutlicher merk- und spürbar wird die enge Verwobenheit, die Interaktion von Kommunikation, Medien und Gesellschaft. Noch nie waren Häme, Empörung, das „An-den-Pranger-Stellen“ so beliebt, so populär wie heute. Shitstorm wird das dann verharmlosend genannt.

Aber was hat sich denn tatsächlich geändert?
Jürgen Habermas hat ihn vor gut 50 Jahren eingeläutet, den „Strukturwandel der Öffentlichkeit“. Was damals elitär und intellektuell daherkam, ist längst Realität geworden. Wir haben es – nicht zuletzt dank Internet und neuen und neuesten Medien – mit vielen unterschiedlichen Öffentlichkeiten und ebenso vielen unterschiedlichen Interessen, Vorlieben und Wertigkeiten zu tun. Diese fragmentierte und zerstreute Gesellschaft ist gnadenlos und unbarmherzig. Sie hat anderes zu tun als konzentriert vermeintlich wichtigen Botschaften, gar politischen Botschaften zu lauschen. Dabei wäre es so bedeutend, was hier und jetzt gesagt, verkündet, verlautbart wird.

Die Spirale dreht sich.
Die Erwartungshaltung an Kommunikation steigt und steigt und steigt. Kommunikation wird lauter, aufdringlicher, damit wenigstens das Wichtigste positioniert wird, draußen, bei den Menschen, in der Bevölkerung, letztlich bei den Wählerinnen und Wählern. Also überhöht man Inhalte, lädt sie bis zum Zerbersten auf, inszeniert auf Biegen und Brechen – alles im Namen der Aufmerksamkeit.

Und die Medien?
Man hat den Eindruck, sie spielen in diesem Reigen – Qualität hin, Qualität her – gerne mit. Kein Skandal zu mickrig, keine Sensation zu harmlos, um nicht das mediale Überlandhorn zu betätigen. Gilt es doch, in diesem Stimmengewirr, in der Kakaphonie öffentlicher Kommunikation einigermaßen hör- und sichtbar zu bleiben.

Öffentlichkeit, Öffentlichkeiten zu erreichen, ist Schwerarbeit geworden – ganz, egal, ob für Medien oder – unter Ausschaltung eines Mediums, also auf direktem Weg – für PR. Trotz oder gerade wegen ungemein vieler Kommunikationskanäle, die uns zur Verfügung stehen, war es noch nie so schwierig wie heute, Menschen gezielt und fokussiert zu erreichen. Sie haben – bei allen Möglichkeiten der Partizipation – immer, aber auch immer anderes zu tun als sich uns zuzuwenden.

heinz_fischer

 

Gastautor FH-Prof. Mag. Dr. Heinz M. Fischer ist Vorsitzender des Departments für Medien & Design an der FH JOANNEUM in Graz, Leiter des Instituts für Journalismus & PR und Geschäftsführer des Steirischen Presseclubs.

 

 

Fotos: fotolia.com/Romolo Tavani, FH Joanneum

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