Katrin Hansmeier: „Humor ist keine Einbahnstraße“

27. September 2022
Was bringt Humor im Business, wie viel davon ist erlaubt, wann wird’s zu viel – und ist Humor etwas, das man lernen kann? Humor-Expertin Katrin Hansmeier stand uns Rede und Antwort. 

„Im Humor macht man sich manchmal dümmer, als man ist, und wird dadurch stärker, als man scheint“, weiß Katrin Hansmeier. Die 44-Jährige ist nicht nur Autorin, Rednerin und diplomierte Schauspielerin, sondern seit vielen Jahren auch Humor-Trainerin am Deutschen Institut für Humor in Leipzig, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, Vortragende und Unternehmen mit wohl­dosiertem Humor zu unterstützen.

Wie definieren Sie Humor für sich?

Humor ist eine Grundhaltung. Die Fähigkeit zum ungewöhnlichen, überraschenden Perspektivwechseln, zu heiterer Gelassenheit in angespannten Situationen. Humor erfordert eine gewisse Distanz zur Situation und macht uns handlungsfähig. Mir sagte neulich eine Österreicherin: „In Deutschland sagt man, die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos. In Österreich sagt man, die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst.“ Das finde ich sehr humorvoll. Oder Sie kommen an eine Ampel, an der steht: Fußgänger bitte drücken. Wenn Sie jetzt den nächstbesten Fußgänger drücken, hätten Sie die Aufforderung mit Absicht missverstanden. Auch das ist Humor.

Sie sind Humor-Expertin und Humor-Trainerin. Bedeutet das, dass man Humor von Ihnen lernen kann?

Humor müssen Sie nicht lernen, den haben Sie schon. Aber ich werfe einen Blick darauf, warum Sie ihn in Situationen verlieren, obwohl Sie ihn da gerne hätten. Bei unfairen Angriffen zum Beispiel, in Konflikten und Krisenzeiten. Viele Menschen wünschen sich Spontanität und Schlagfertigkeit gerade in ärgerlichen oder stressigen Situationen. Das kann man sehr wohl lernen.

Wie läuft ein solcher Lernprozess ab?

Ich aktiviere das Bewusstsein für den eigenen Humor. Die meisten Menschen wissen, dass sie letzte Woche gelacht haben – aber sie wissen nicht mehr, worüber. Wir verändern den Fokus, schauen auf humorvolle Alltagssituationen, trainieren Spontanität und Flexibilität und wenden Humor-Techniken auf konkrete Alltagssituationen und unfaire Angriffe an. Außerdem beschäftigen wir uns mit Humorstilen, also mit aufwertendem und abwertendem Humor. Das ist besonders im Business und für Führungskräfte wichtig.

Manche finden Humor im Privatleben durchaus angebracht, setzen im Business aber eher auf Seriosität …

Humor und Seriosität sind kein Widerspruch. Führungskräfte zum Beispiel prägen den „Humorspirit“ eines Teams. Das heißt nicht, dass Sie ein Comedian sein sollen, aber Sie können Humor gezielt nutzen – etwa um Ziele besser zu erreichen, Mitarbeitende zu motivieren oder durch schwierige Zeiten zu führen. Humor ist für mich eine Kompetenz und schadet der ­Seriosität nicht, wenn man ihn gekonnt einsetzt. Das gilt übrigens für Führungskräfte ebenso wie für Angestellte. Humor ist zum Glück keine Einbahnstraße.

Wie bringen Sie Humor in Unternehmen zum Laufen?

Auf vielerlei Art und Weise. Am besten ist natürlich, sowohl die Führungsebene als auch Mitarbeitende einzubinden und zu trainieren, den Humor gemeinsam in Prozesse einzubauen. Da reicht ein zweitägiges Seminar nicht aus. Solch ein Prozess wird begleitet durch Coachings, Beratung zur Strategie, Findung kreativer Lösungen für Probleme und genügend Humor-Botschafter im Unternehmen. Mit der Berliner Stadtreinigung arbeite ich seit über einem Jahrzehnt. Das Unternehmen begreift Humor als Marketing-Tool, um Ziele zu erreichen und neue Themen an die Leute zu bringen. Die Zahlen zeigen, dass Humor einen Return on Investment hat, wenn man ihn gekonnt einsetzt. In Berlin ist Müll inzwischen sexy – das muss man erst mal schaffen!

Gibt es beim Humor im Geschäftsleben auch Grenzen, die nicht überschritten werden sollten?

Wie bei einem Medikament ist es eine Frage der Dosis. Humor muss zur Situation passen und zu meinem Umfeld. Im Geschäftsleben sollte ich mein Gegenüber durch Humor nicht beschämen, sondern entspannen und zum Schmunzeln bringen. Humor sollte nie unter die Gürtellinie gehen, nie verletzen oder diskriminieren – weder im Business noch im Privatleben. Das heißt nicht, dass man nicht auch mal im Fettnäpfchen oder in der Fritteuse landen darf. Nur sollte man sich dann entschuldigen. Als Führungskraft ist Humor ein Aspekt in Ihrem Repertoire. Wie viel Sie ihn nutzen, hängt von Ihrem Führungsstil ab. Mitarbeitende wollen gehört und ernst genommen werden. Im Humor geht es nicht darum, das zu untergraben – im Gegenteil. Durch Humor können Probleme oft besser und entspannter besprochen werden.

Wie geht man mit negativem bzw. toxischem Humor am Arbeitsplatz um?

Grenzen setzen. Es ansprechen. Man kann auch einfach mal sagen: Das finde ich jetzt unangemessen. Wenn jemand ständig Blondinenwitze über mich macht, ist das abwertend. Dagegen sollte ich mich wehren. Das kann ich tun, indem ich es klar benenne. Ein anderer Weg ist, ­humorvoll zu reagieren. Beispiel: Ein Kollege im Meeting mit Kolleginnen der gleichen Ebene: „Das ist ja schön, ein Meeting mit so hübschen Frauen.“ Charmante Antwort der Kollegin: „Ich sehe, Sehen gehört zu Ihren Kernkompetenzen. Dann können wir ja jetzt zum fachlichen Teil übergehen.“ Das nenne ich charmante Schlagfertigkeit. Schreiben Sie Ihre Top Ten auf, die Sie sprachlos machen. Und überlegen Sie sich im Vorhinein eine für Sie passende und witzige Antwort oder Reaktion. Dann haben Sie fürs nächste Mal gleich ein Ass im Ärmel.

Mit welcher Technik bringen Sie sich selbst zum Lachen, wenn Sie einmal nicht so gut drauf sind?

Mit positivem Umdeuten. Ich stehe zum Beispiel in der Schlange am Supermarkt und jemand rammt mir zum dritten Mal den Einkaufswagen in den Rücken. Meine Reaktion: „Danke für den Anschub! Sie haben mich echt nach vorne gebracht.“ Anstatt mich 100 Mal über dieselbe Sache zu ärgern, deute ich sie positiv um. Meine Kinder wollen nicht Zähne putzen? Ich sage schmunzelnd: „Gute Idee, ihr müsst nur die ­putzen, die ihr behalten wollt.“ Diese Technik hat mir – nachdem ich genug geheult hatte –, auch in echten Krisenzeiten immer wieder geholfen. Humor ignoriert nicht den Schmerz, macht ihn aber oftmals erträglicher. Humor ist für mich eine Bewältigungsstrategie und ein geistiges Überlebensmittel. Humor stärkt die Resilienz von Menschen und Unternehmen. In großen wie in kleinen Krisen.

Buchtipp

Katrin Hansmeier

„Humor. Das Manifest für verzögerte Schlagfertigkeit“
Katrin Hansmeier und Eva Ullmann vom Deutschen Institut für Humor geben Tipps für mehr Humor im Arbeitsalltag. Mehr Infos zu aktuellen Seminaren und Trainings auf humorinstitut.de.

Interview: Anja Fuchs

 

 

 

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Beitragsbild: Steffi Henn

 

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