Voller Gedanken, Geschichten und Gefühle: das Porträt

04. April 2017
Wenige journalistische Textformen können uns so berühren wie das Porträt. Auch deshalb ist es eine gute Möglichkeit für ein Unternehmen, Menschen zu erreichen. Zum Beispiel potenzielle Kundschaft, Mitglieder oder Mitarbeiter/innen.

Im Porträt liegt der Fokus auf einem Menschen: Da wir alle viel mehr sind als unsere Hüllen, die den ersten Eindruck prägen, kann ein Textporträt ein äußerst spannendes Unterfangen werden. Für die Leser/innen übrigens genauso wie für die Texter/innen! Aber dazu noch später.

Jedes Unternehmen ist stark geprägt von Menschen und deren Ideen, Wissen, Neugier, Durchhaltevermögen, Fleiß, Begeisterung, Herzlichkeit, Konsequenz und vielen, vielen Charakterzügen mehr! Menschen schreiben die Geschichte einer Firma durch ihren eigenen Werdegang und ihre Verbindung mit dem Unternehmen. Alleine diese Tatsache garantiert für „Geschichten, die das Leben schreibt“ – und was lesen wir lieber?! Mit einem Textporträt eines Menschen bauen wir sofort eine lebendige Brücke zum Unternehmen, zeigen im besten und wahrsten Sinne seine „menschliche“ Seite und lassen mit einem Schlag hinter die Kulissen blicken.

Wer darf’s oder soll es sein? Pars pro Toto.

Pixabay Porträt

Foto: Pixabay

Oft stellt sich diese Frage gar nicht, wer vor den Vorhang kommt, denn ein neuer Personalchef, eine neue Geschäftsleiterin oder ein „frischer“ Kundenberater ist vorzustellen. Neben Neuzugängen sind es selbstverständlich Firmengründer/innen, die in einem Porträt von ihrer Motivation erzählen sollten und ihren „Spirit“ und ihre Begeisterung für das Unternehmen schildern. Weitere hervorragende Anwärter/innen für ein Porträt sind Menschen, die seit vielen Jahren mit der Firma verbunden sind – die „Seele“ des Hauses – und viele Erlebnisse und Anekdoten erzählen können. Für Familienbetriebe mit Geschichte würde sich eine Art „Doppelconference“ zwischen Senior- und Juniorchef/in anbieten. Zu lesen, wer den Startschuss getan hat und wie nun die Nachfolge die Flamme der Tradition weiterträgt und mit neuen Ideen ans Werk geht, birgt eine ganz eigene Faszination, denn Familienbande kennen wir alle und jede/r hat eine Meinung zu oder eine Vorstellung von Familienbetrieben. Stammkundinnen und -kunden sind für Porträts ebenfalls wunderbar geeignet – wir treffen jemanden, der seit Jahren mit dem Unternehmen verbunden ist, hinter die Fassade blicken lässt und außerdem sicherlich gute Gründe dafür hat, der Firma treu zu bleiben.

Auch Mitarbeiter/innen, die täglich mit Kundinnen und Kunden zu tun haben und deshalb sofort „wiedererkannt“ werden, schaffen Nähe und Vertrauen. Wenn durch die Lektüre eines Kundenmagazins oder Firmenblogs aus einer unbekannten Supermarkt-Kassierin eine junge Frau wird, die in der Freizeit gerne mit ihren Kindern Tischtennis spielt und Kurzgeschichten schreibt; wenn aus dem „krawattenverknoteten“ Bankbeamten für die Porträtleser/innen plötzlich ein humorvoller Familienmensch wird, der sonntags mit Kind, Kegel, Freundin und Eltern Berge erwandert, dann kommt uns auch das Unternehmen, in dem die beiden arbeiten, näher, weil wir dort Menschen „kennenlernen“ durften. Und wir wissen: Auch dieser Mensch prägt die Firma auf seine persönliche Art. Wer auch immer in irgendeiner Weise mit der Firma zu tun hat, hat auch mit ihm zu tun. Er ist sozusagen das Pars pro Toto, ein Teil, der für das Ganze steht.

Die Kunst des Fragens und Zuhörens

Ist die Auswahl getroffen, wer vorgestellt wird, geht es ans Eingemachte. Ein persönliches Gespräch beziehungsweise Interview im Vorfeld ist für ein Textporträt unerlässlich. Denn diese Textsorte beinhaltet immer auch Elemente einer Reportage: Man lässt vielleicht einfließen, wo man den Menschen trifft, wie er Dinge schildert, vorzeigt; ganz persönliche Eindrücke des Autors oder der Autorin werden wiedergegeben und verdichten so die „menschelnde“ Atmosphäre, die so einen Beitrag einfach unwiderstehlich und sympathisch machen kann.

Pixabay Porträt

Foto: stux/Pixabay

Nicht jede/r Gesprächspartner ist gesprächig – das ist eine zuweilen bittere Erfahrung, die jede Interviewerin und jeder Interviewer machen muss. Manche meinen, nicht viel zu sagen zu haben, üben sich in Bescheidenheit oder meinen, nicht wichtig genug zu sein. Doch gerade beim Porträt geht es nicht um Rekorde, weltbewegende Weisheiten oder andere „Leistungen“. Es geht schlicht und ergreifend um den Menschen, um seine Gedanken, Ideen, um seine Persönlichkeit, Charakterzüge und in diesem Zusammenhang um einen Link zu einem Unternehmen.
Vor dem persönlichen Gespräch sollte die Recherche stehen: Was verbindet diesen Menschen mit der Firma, wie sieht der berufliche Werdegang aus – alle Fakten, die man schwarz auf weiß über ihn findet, werden zusammengetragen. Im Gespräch werden diese Daten erläutert, besonders wichtig ist es immer, die Motive für ein Firmen-Engagement zu hinterfragen. Was ist dieses „Warum“, das den Menschen antreibt? Wo liegt sein Sinn, den er dem Ganzen gibt? Fragen, die an der Oberfläche kratzen, sind immer anregender als klassische 0815-Interviewfragen und ein ehrliches eigenes Interesse sollte mitgebracht werden, denn das ist für jede/n spürbar, für die Interviewpartner/innen genauso wie für die Leser/innen. Doch Neugierde, Offenheit und großes Interesse muss bei journalistisch Tätigen vorausgesetzt werden können. Bei „schwierigen“ Interviewpartnern hilft es immer, zuzuhören und genug Zeit für die Antwort zu geben: Im richtigen Moment einfach nur den Mund zu halten und darauf warten zu können, was der andere sagt, gehört zur Königsdisziplin.

Blitzende Augen und andere Zwischentöne

Sehr schön ist es, ein besonders lebendiges Bild der Person zu zeichnen und markante Aussagen direkt zu zitieren: Perfekt ist, wenn in unserer Vorstellung während des Lesens eine Art Video läuft, in dem wir Bewegungen, Regungen, Reaktionen, Lachen, fragende Blicke und ganz viele „Zwischentöne“ erleben dürfen. Deshalb ist es ganz wichtig, Klischees und Allgemeinplätze zu vermeiden – es gilt, das Besondere des Menschen zu erkennen und lebhaft wiederzugeben. Für ein Firmen- bzw. Kundenmedium bedeutet das, dass man auf eine ganz eigene, sehr persönliche, ja fast intime Weise Unternehmensentscheidungen und -entwicklungen näherbringen und erklären kann. So ist es zum Beispiel auch möglich, unpopulären Seiten von Firmenveränderungen einen menschlichen Hintergrund zu geben und klar zu machen, was wirklich dahinter steckt. Es ist eine Möglichkeit, Gerüchten zu begegnen und transparenter zu werden, aber auch verspielt und gezielt „Geheimnisse“ auszuplaudern. Ein bisschen Tratsch darf und soll sein, hier ein Augenzwinkern zwischen den Zeilen, und da regt sich auch schon ein Schmunzeln beim Leser/bei der Leserin.

Nicht nur das (geschminkte) Gesicht, sondern der ganze Mensch mitsamt seiner Ausstrahlung und seinem Charisma, seiner Geschichte, seinen Ideen und Überzeugungen soll geschildert werden. Nach dem beruflichen Part sollte ein eleganter Schwenk hin zum Privaten stehen. In Abstimmung mit der Person kann das bis zum Beziehungsstatus gehen, den man offenlegt, auf jeden Fall sollten Hobbys aufs Tapet und Themen, die mit der unmittelbaren Arbeit nichts mehr oder nicht mehr viel zu tun haben.

Wann ist das Porträt gelungen?

Wenn die Leserschaft das Gefühl hat, diesen Menschen selbst getroffen und ein freundschaftliches Gespräch mit ihm geführt zu haben, ist das Porträt solide und gelungen. Für ein Firmenmedium gehört unbedingt eine elegante Verbindung mit dem Unternehmen dazu; Hintergründe und/oder eine Philosophie. Höchstes Ziel: Wenn wir nach dem Lesen des Porträts das Gefühl haben, heimlich im Tagebuch des oder der Porträtierten geblättert zu haben … dann, ja dann ziehen wir wirklich den Hut vor der Interview- und Textkunst.

CLAUDIA RIEF-TAUCHER

ZUM BEISPIEL: Porträt der INJOY-Nord-Studioleiterin Anna Fattinger in INJOYdeLuxe 2016

INJOY Porträt

Beitragsbild: DanielBrachlow/Pixabay

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