„Samwer“ over the Internet: das Imperium dreier Brüder

29. Dezember 2014

Marc, Oliver und Alexander Samwer bezeichnet Autor Joel Kaczmarek in seinem gleichnamigen Buch als „die Paten des Internets“. Die drei Kölner steigen 1999 ins Internet-Business ein und prägen es seither: von Alando bis Zalando.

Parallel dazu erzählt der Herausgeber von Gründerszene, Deutschlands Leitmedium zum Thema Digitalwirtschaft, auch die Geschichte des Internets als heiß umkämpften Markt für Unternehmer, die ihr Business mit einer Skrupellosigkeit vorantreiben, bei der man sich sofort in die fiktive Welt des J. R. Ewing zurückversetzt fühlt – der Blogtitel sei also bitte mit einem Augenzwinkern verstanden, denn so schillernd wie ein Regenbogen ist für die Samwers nur, aus jedem Geschäft das Maximum herauszuholen. Ohne Rücksicht auf Verluste – oder wie es Oliver Samwer formulierte: „I will die to win!“

Das perfekte Trio

Die Geschichte beginnt Anfang der 70er Jahre in Köln, wo zuerst Marc, dann Oliver und danach Alexander geboren wird. Bereits mit zwölf, 14 und 16 Jahren steht für die drei fest, dass sie Unternehmer werden wollen. Die Voraussetzungen dafür sind perfekt: Alle drei legen ausbildungstechnisch eine Top-Performace hin und ergänzen sich hinsichtlich ihres Charakters optimal.

Marc gilt als gewifter Jurist, echtes Verkaufstalent und sehr geschickter Manipulator, der durchaus auch einmal „mit gespaltener Zunge spricht“. Sandwichkind und WHU-Absolvent (Wirtschaftliche Hochschule für Unternehmensführung in Vallendar bei Koblenz) Oliver ist ein Alphatier und Workaholic par excellence und gibt daher auch im Samwerschen Business die Marschrichtung vor. Er hat Geschwindigkeit und Ehrgeiz im Blut, arbeitet fokussiert sowie effizient, gilt aber auch als jemand, der Argumenten zugänglich ist. Allerdings wird er zudem als Sozial-Chamäleon bezeichnet, das seine Mitarbeiter anbrüllt und eine Minute darauf einen potenziellen Käufer am Telefon umgarnt. Der jüngste im Bunde ist Alexander, der Intellektuelle mit großem strategischem Gespür, der in Oxford und Harvard studiert hat. Kommt einem bei Oliver sofort J. R. Ewing in den Sinn, so wäre Alexander dann wohl Bobby. Höflich und freundlich, aber dennoch immer dem Erfolg des Familienbusiness verpflichtet. Blut ist eben dicker als Wasser, wie es auch im Buch so schön heißt.

Der (privaten) Familiengeschichte ist das erste Kapitel gewidmet, in den acht weiteren dreht sich alles um das Samwersche Imperium. Im Anhang gibt’s dann etliche Listen, auf denen in alphabetischer Reihenfolge u. a. die Personen des Samwer-Netzwerks ebenso wie die Samwer-Exits und -Pleiten oder auch die vielen Beteiligungen von Rocket Internet oder die Finanzpartnerschaften dargestellt sind.

Von A wie Alando bis Z wie Zalando

Auf knapp 70 Seiten beschreibt Kaczmarek die wichtigsten Unternehmen: Alando, Jamba, der EFF (European Founders Fund), Rocket Internet, Groupon und Zalando.

Es beginnt 1999, als die drei mit der Internetauktionsplattform bzw. dem deutschen Ebay-Klon „Alando“ aktiv ins Internet-Business einsteigen. Alles geht rasend schnell: Alando wird im Februar gegründet, geht im April an den Start und wird im Juni desselben Jahres im Austausch für 316.000 Ebay-Aktien an Ebay-Gründer Piere Omidyar verkauft. Bingo! Oliver Samwer sagt zwar rückblickend, dass der Verkauf verfrüht gewesen sei, trotzdem finden die drei Kölner ob des Erfolges Gefallen an dieser Vorgehensweise und machen sie fortan zum Programm. Die Strategie lautet: Businessideen aufspüren, nachmachen, den Klon in kurzer Zeit bis aufs Letzte optimieren, dafür perfekte Bewertungen einheimsen und wenn nichts mehr geht, das Ganze um eine ordentliche Summe veräußern. Der Begriff „Copycat“ hat sich in dem Zusammenhang etabliert. Oliver Samwer kommentiert den Vorwurf, nie selbst etwas zu entwickeln, sondern ausschließlich Klone zu produzieren, folgendermaßen:

„Am Ende kommt es nicht darauf an, ob ich als Erster eine Idee gehabt habe, sondern darauf, ein Unternehmen aufzubauen, das langfristig existiert und Kunden zufriedenstellt. In der Industrie gibt es Einsteins und Typen wie Bob, der Baumeister. Ich bin ein Bob, der Baumeister.“

Obwohl natürlich Attribute wie nachhaltig oder langfristig im Samwerschen Universum spärlich gesät sind. Ohne mit der Wimper zu zucken, dreht man in der Türkei ein Unternehmen mit 400 Mitarbeitern von heute auf morgen zu, weil die Zahlen nicht passen. Kein Bereich bleibt von den Samwers verschont. Ob Auktionen, Klingeltöne (u. a. bei Jamba), Gutscheine, die als Deals bei Groupon zum Geschäft werden, bis hin zur Partnervermittlung (u. a. E-Darling) oder dem Schuhverkauf reicht die Palette. Das Imperium umfasst einige der größten Shopping-Websites in Afrika, Lateinamerika, Indien, Russland und Südostasien mit rund 27.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in knapp 50 Ländern.

Step by Step durch die Geschichte des Internets

Kaczmarek schildert alles Step by Step, lässt (ehemalige) Mitarbeiter und Weggefährten zu Wort kommen und zitiert auch Oliver Samwer immer wieder. Dieser spielt im gesamten Buch die erste Geige, die anderen Beiden besetzen lediglich Nebenrollen. Nette Anekdoten sind das i-Tüpfelchen auf dem wirtschaftsgeschichtlichen Spaziergang von den Anfängen des Internetbusiness bis zum bevorstehenden Börsegang der Samwer Firma Rocket Internet.

Es war einmal, der Content …

Ein ganz kleines Detail am Rande fällt außerdem bei der Lektüre des Buches auf. Der Begriff „Content“ findet sich zwar hier und da im Text – z. B. „Er (Oliver) und seine Brüder verfolgen ein ambitioniertes Ziel: Sie sollten zu den führenden Content-Anbietern im mobilen Internet zählen“, ist zu lesen. – Allerdings ist schnell klar, dass Content hier für Klingeltöne, Handyspiele, Schuhe usw. steht und nicht für Storytelling, das sich ja als wertvolles Instrument für die Präsentation eines Produktes herauskristallisiert hat. Irgendwie bezeichnend: Lange Zeit gehörte den Marktschreiern die Internet-Produkt-Welt, heute sitzen zunehmend Menschen am Marketingruder, die es verstehen, mit feinen Geschichten ihr Produkt in Szene zu setzen.

Das ist Internet-Business

Fazit: „Die Paten des Internets“ ist ein Buch, das wir jenen empfehlen, die sich für das Thema Internet-Business interessieren, sich einst vielleicht selbst mit einem Jamba-Klingelton-Abo herumschlagen mussten oder sogar zum Copycat geworden sind. Der Text ist häufig sehr vom Wirtschaftsjargon geprägt, daher nicht jedermanns bzw. -fraus Sache, aber dennoch angenehm zu lesen. Zudem gibt’s im Anhang ein Glossar.
Wer Kaczmareks Buch noch lesen sollte? All jene, die tolle Internet-Business-Ideen haben. Einfach nur, um darauf vorbereitet zu sein, dass früher oder später von irgendwo her ein Samwer kommen wird, um sie zu klonen.

ANDREA KREUZER

Foto: Horia Varlan/Flickr 

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Buchtipp: „Die Paten des Internets. Zalando, Jamba, Groupon – wie die Samwer-Brüder das größte Internet-Imperium der Welt aufbauen“, Joel Kaczmarek, FBV, 2014.

 

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